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Dissertationsprojekt von Sina von Aesch 

Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit Ambiguität im Kontext der monastischen Bewegung im Oberägypten der Spätantike. Die textliche Grundlage für die Auseinandersetzung bilden die Apophthegmata Patrum, eine gewachsene Sammlung von Aussprüchen frühchristlicher Wüsteneltern. 

Die aufkommende Verschränkung von Christentum und staatlicher Macht führte zu Kritik: Die ersten Asket_innen in der Wüste können als eine Bewegung verstanden werden, die dieses Zusammenwirken kritisierten. Nicht in Form von expliziten Schriften, sondern indem sie eine Lebensform wählten, in der sie der Verquickung der Mächte ausweichen konnten. Sie bildeten keine fixe Grösse, es waren Einzelpersonen, die teilweise bereits in der Stadt als Mönche lebten und angesichts der zunehmenden Institutionalisierung der Kirche ihre Form von asketischer Nachfolge gefährdet sahen. Der bekannteste dieser Mönche war Antonius (251 – 356), er zog sich in Etappen aus der bewohnten Welt zurück, um in die ägyptische Wüste zu gehen. Damit wurde angestrebt, sich in Abgeschiedenheit und in Ausübung der Askese ungestört dem Gebet zu widmen zu können. Antonius blieb nicht allein, zahlreiche Christ_innen folgten ihm nach; entweder, um selbst eine asketische Lebensweise zu pflegen oder um den verehrten Abba um Rat zu bitten. Von einer Bewegung kann auch deshalb gesprochen werden, weil sich die Einzelnen bald zusammentaten und nebst dem Eremit_innentum auch Klöster gegründet wurden. Die AP sind Spruchsammlungen, die im Kontext dieser monastischen Bewegung entstanden.
Nach jahrelanger mündlicher Überlieferung begann die schriftliche Fixierung vermutlich um 450–500 n.Chr. in Klöstern, viele bemühten sich um ein eigenes «Gerontikon» (γέρων = Alter). Ein Gerontikon (Sprüche der Alten) bezeichnet eine Sammlung der Aussprüche, sie wurden in den Klostergemeinschaften als geistliche Literatur verwendet und gelten als erste schriftliche Sammlungen der Apophthegmata Patrum.

Inhaltlich handelt es sich bei den Sprüchen um die Schilderung kurzer Begegnungen, in denen in narrativer Form berichtet wird, was die Asket_innen und die Wüsteneltern beredet haben. Wörtliche Rede wechselt sich mit Beschreibung ab. In den AP werden unterschiedliche Themen besprochen. Treibende Kraft der Begegnungen, deren Inhalt später mündlich weitererzählt wird, sind im Grossteil der Fälle die Asket_innen selbst. Sie sind von ihrem Ziel, ein heilbringendes Leben gemäss dem asketischen Ideal zu führen, abgekommen und benötigen daher Rat.
Ausgehend von diesen Beobachtungen ergeben sich die Kernfragen, denen im Rahmen des Dissertationsprojektes nachgegangen werden soll: Wie werden die Antworten je nach Lebensthema genau formuliert? Wovon hängt der Gehalt der Ambiguität ab und was haben die Wüsteneltern allenfalls damit bezweckt? 

 

Für detaillierte Informationen über das Projekt auf der Seite des Schweizerischen Nationalfonds klicken Sie bitte hier.

 

Die Zeit um 1700 ist für die Geschichte des Christentums in der Schweiz auch eine Phase des Umbruchs. Politische und soziale, wirtschaftliche und kirchlich-religiöse Enttäuschungen verbanden sich mit der Sehnsucht nach neuer Sinngebung und der „Hoffnung auf bessere Zeiten“ zu oft innovativen, teils auch oppositionellen, immer breitere Kreise erfassenden Bewegungen. Mit dem Täufertum und dem Pietismus lassen sich an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert in Bern zwei Beispiele solcher religiöser Bewegungen beobachten, die mit einer Stärke und einem Profil auftraten, dass sie beide von Obrigkeit und Kirche vehement bekämpft wurden.

Durch das räumlich und zeitlich gemeinsame Auftreten von Täufertum und Pietismus können am Beispiel Berns Konvergenzen und Divergenzen, aber auch die Interaktionen und Interdependenzen zwischen diesen beiden europaweit bedeutsamen Bewegungen auf eine Weise verglichen werden, wie das andernorts kaum möglich ist. Für die turbulenten Jahre zwischen 1700 und 1720 sind beide Bewegungen in Bern allerdings noch kaum eingehender untersucht worden. Da in der bisherigen Forschung Täufertum und Pietismus je für sich studiert und entsprechend eigene Forschungstraditionen ausgebildet wurden, soll ein stärker komparativer Ansatz zum Zug kommen.

Das Forschungsprojekt setzt sich zum Ziel, in der genannten Zeit die Ereignisse, die Argumentationslinien und die Verhaltensweisen von politischer und kirchlicher Obrigkeit sowie von kirchlichen und ausserkirchlichen Dissidentengruppen zu erforschen. Untersucht wird, wie in einer gesellschaftlich umbrechenden Zeit etablierte politische, gesellschaftliche und religiöse Kreise mit abweichenden Minderheiten umgingen (und umgekehrt) und welche Rolle Religion im Rahmen solcher Transformationsprozesse einnehmen konnte. Damit greift das Projekt eine Reihe von wiederholt formulierten Desideraten der neueren internationalen Forschung auf und versucht zugleich, eine immer wieder beklagte Lücke in der Kenntnis der schweizerischen Kirchen-, Mentalitäts- und Sozialgeschichte zu schliessen.