Dissertationsprojekt von Rahel Schär
Inspiriert von östlichen und westlichen monastischen Vorbildern zogen sich zu Beginn des 5. Jahrhunderts Männer und allmählich auch Frauen in ein abgeschiedenes und kaum zugängliches Waldgebiet am südlichen Ende des französischen Juragebirges zurück. Sie lebten asketisch und gestalteten ihren Alltag mit Arbeiten und Beten. Zwei Viten und zwei Briefe überliefern Informationen zu den Anfängen des Juramönchtums: Einerseits die anonyme Vita vel regula sanctorum patrum Romani Lupicini et Eugendi monasterium iurensium abbatum und die Vita Lupicini et Romani, die Gregor von Tours im Rahmen seines Liber Vitae Patrum herausgegeben hat; andererseits die Epistula 16 von Avitus von Vienne an den damals in Condatisco lebenden Viventiolus wie auch eine Notiz in Sidonius Apollinaris' Brief 25 an Domnulus.
Das Dissertationsprojekt untersucht die Vernetzung der frühen Juramönche mit monastischen Traditionen sowie mit weltlichen und geistlichen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen. Ausserdem zeigt es exemplarisch auf, wo und in welcher Weise bestimmte Ideale und Praktiken des Juramönchtums weitergeführt wurden. Analysiert werden primär diejenigen Verbindungen, die in den vier überlieferten Quellen genannt werden, wobei berücksichtigt wird, dass die Beziehungspartner/innen auch untereinander vernetzt waren. Zur Untersuchung des synchron wie auch des diachron komplex verwobenen Netzwerkes von Condatisco und seinen Tochterklöstern bietet sich der verflechtungsgeschichtliche Zugang besonders an; ihm entsprechend werden die Quellen insbesondere traditionsgeschichtlich, textkritisch, gattungskritisch, überlieferungs- und rezeptionsgeschichtlich analysiert.
Eine Untersuchung des Beziehungsgeflechts von Condatisco und seinen Tochterklöstern steht bislang aus. Das Dissertationsprojekt soll diese Lücke schliessen und neue Erkenntnisse über die Einbindung des frühen Juramönchtums in seinen sozialgeschichtlichen und literarischen Kontext liefern.